Ilma Rakusa: Vögelchen zwitschern ins Résumé
Vögelchen zwitschern ins Résumé
ein viel zu warmer Silvestertag
ich gehe durch was war
was das Jahr wollte
von mir von uns
was es verhagelte vertrieb
A wie Ahr wie Afghanistan
auch mein Apfelbaum gab den Geist auf
und das Ach war da wie die Arbeit
Abfuhr für B (weder Bellezza noch Berge)
doch das Bett bot Schutz
und die haushohe Birke
denn Covid kam weiter gelaufen
hieß plötzlich Delta
und zu D fällt mir Dora ein die starb
Einsamkeit machte sich breit
sie zeigte Eifer
und Flüchtlinge überquerten die Meere
zahllos in Gefahr
am Horizont mit bloßem Auge
fast nicht zu erkennen
doch ein Hafen ist kein Haus
nur Hoffnung
Irrwitz je nachdem
was mich auf Ich bringt diese lose Form
von Ängsten
und Krankheit
warum nicht Liebe?
warum das Messer an der Niere?
operiert fiel ich in Wachschlaf
und prostete mir zu
das war im platten Regensommer
mit den Stürmen
mein Pflaumenbaum gab auf
mein Patenkind sah Nebelpferde
ich aber ritt im Kopf durch Wüsten
mit ausbaufähiger Phantasie
Reisen keine (oder fast)
ein Herbst der Farben Narben
dann der Schock:
der Sohn ist krank und wie
vorbei der Vogelsound
die Welt ein Weh
die Zeit so ohne Ziel
im Stand-by-Modus
das Tun ein Minimalgebinde
die Trauer Lieferung frei Haus
ich schiele nach dem nächstgelegenen Kissen
nur das Gewissen brummt: halt aus!
31. Dezember 2021