Ich überlasse der Zukunft die Geschichte Apollinaires.
(XXIII)
1895
geht aus seinem Zeugnis hervor, daß Wilhelm sich dem Studium mit größerem Fleiß, größerer Sorgfalt widmet. Erste Preise für Übersetzungen aus dem Lateinischen und Griechischen, für Literatur und französische schriftliche Arbeiten. Mathematik, Geographie und Geschichte, Musik und Rezitation stehen auf dem Zeugnis und offenbar auch in seinem Interessenkreis an zweiter Stelle. Bei Geschichte und Geographie ist das begreiflich. Die Schulauffassung dieser Wissenzweige entspricht der Wißbegier des Schülers nicht, der gierig Bücher verschlingt und nach wirklichen Erkenntnissen verlangt, die er sich durch systematische, wenn auch ein weites Gebiet umfassende Lektüre aneignet. Während seiner Schulzeit in Monaco besucht ihn ab und zu seine Mutter. Apollinaires Reaktion auf diese Besuche ist uns nicht bekannt, aber die Erinnerung Charles Bellauds, seines Mitschülers, der einer alten monegassischen Familie entstammt, ist aufschlußreich:
Wenn Mme. de Kostrowitzki zur Messe in die kleine Kapelle des jesuitischen Internats kam, in dem ihre Söhne studierten, beunruhigte der ,odor di femina‘ die jungen Zöglinge so sehr, daß der Pfarrer schließlich gezwungen war, die Tür des heiligen Ortes offen zu lassen. So stark wirkte die Erinnerung an die Gegenwart der in Seide und Federn gehüllte Frau. Und der Pfarrer, um aus unseren Köpfen jede unreine Erinnerung zu bannen, besprengte die kleine Kapelle mit Weihwasser. (Florent Fels: L’Art vivant, I., S. 228–229).
In diesem Jahre, dem Jahre der ersten Kinoprojektion in Frankreich, bricht in vollem Umfange die Affaire Dreyfuß aus, die schon im vorhergegangenen Jahre Frankreich aufgewirbelt hat. Von den Militärgerichten auf Grund unterschobener Dokumente inszeniert, entfacht sie eine heftige antijüdische Kampagne und wächst zu einem scharfen Kampf zwischen den demokratischen Schichten und der Reaktion aus. Viele Künstler setzen sich für die Verteidigung von Dreyfuß ein, darunter Emil Zola, Anatol France und andere. Der junge Apollinaire steht auf der Seite der Dreyfußianer und blieb ihnen bis zur Rehabilitierung dieses der Spionage beschuldigten Hauptmannes jüdischer Abstammung treu.
Vladimír Diviš: Apollinaire. Chronik eines Dichterlebens. Deutsch von Aleš Krejča, Artia, 1966









