H. D. (Hilda Doolittle): Das Ende der Qual – 9. April

 

Mary bat mich, sie zu besuchen, als ich in Lugano war. Es gebe einen Bus, sagte sie, es sei nicht weit. Aber ich fuhr nie hin. Sie schickte mir Fotos von sich und den Kindern. Sie schaut aus einem Fenster des Schlosses1 oder der Burg wie ein Mädchen in einem Märchen oder Sister Helen2 aus einem Gedicht. Sie blickt hinaus auf die romantische Tiroler Landschaft, weit, weit. Ich wage kaum, an sie und an einen Abzug eines frühen Porträts von ihr zu denken, den Ezra mir geschickt hatte, mit ihrem goldgelben Haar, das ihr über die Schultern floß. Da ist auch Sigifredo, der zu einer Art della-Scala-Klopfer an einer großen Tür hinauflangt, mit einem Heiligenschein aus blondem Haar. Mary bittet mich wieder, sie zu besuchen, »besonders jetzt, da einige Hoffnung besteht, daß wir Vater bald bei uns haben werden«.
Ich warte mit derselben ängstlichen Furcht auf Briefe, wie ich vor fast 50 Jahren wartete, als Ezra endgültig nach Europa ging. Über die Jahre habe ich dieses Gefühl auf andere Leute, andere Briefe übertragen. Eine Art rigor mortis trieb mich vorwärts. Nein, meine Dichtung war nicht tot, aber sie war auf oder um den Krater eines erloschenen Vulkans gebaut. Nicht rigor mortis. Nein, nein! Der Wein wächst üppiger auf diesen vulkanischen Hängen. Ezra hätte mich und das Zentrum meiner Poesie, das sie »Luft und Kristall« nennen zerstört.
Jetzt fiebere ich vor Furcht und Aufregung. Ich wurde durch Ezra von meinen Freunden, meiner Familie, sogar von Amerika getrennt. Das habe ich nicht analysiert. Als Frances in mein Leben trat, konnte ich darüber reden – allerdings auch nur oberflächlich. Aber ich las ihr ein paar Gedichte vor, die Ezra und ich geliebt hatten, hauptsächlich Swinburne. »Du liest so schön«, sagte Frances. Ich las Andrew Langs Theokrit-Übersetzung,3 die Ezra mir gebracht hatte. In einer Bion- und Moschus-Stimmung4 schrieb ich Frances ein Gedicht.

O hyacinth of the swamp-lands,
          Blue lily of the marshes,
How could I know,
          Being but a foolish shepherd,
                    That you would laugh atme?5

O Hyazinthe des Sumpflands, / Blaue Lilie der Moore, / Wie konnt ich wissen, / Ich törichter Schäfer, / Daß du mich verlachen würdest?