H. D. (Hilda Doolittle): Das Ende der Qual – 20. Mai, Dienstag

 

Das exakte Séraphîtus-Abbild ist in Texas aufgetaucht, erschienen. Ich bin überwältigt von dem Time-Bericht vom 19. Mai über den jungen Pianisten: »Van [Cliburn] ist der geborene feurige Virtuose.«
»Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren.« Musik war es, was ich wollte. »Was verbergen Sie?« Ich verbarg ein Verlangen, einen Hunger nach Musik, wie ich sie als Schülerin an der alten Akademie in Philadelphia erlebt hatte. Einmal, als ich nach einem Konzert mit Paderewski zu erschüttert war, um aufzustehen, fand ich mich allein in dem leeren weiten Rund der Sitzreihen auf dem Balkon. Ans Geländer geklammert, bemerkte ich unter mir überrascht ein paar dunkle Gestalten, die in dem leeren, halberleuchteten Theater verstohlen vor dem verlassenen Flügel standen. Sie gehörten nicht zu jenem verwöhnten, vornehmen Publikum, das gerade hinausgeströmt war. Wer waren diese bescheidenen, dunkel gekleideten Gestalten, die mit dem Hut in der Hand, in ihren Mänteln tief unter mir standen, obwohl die bequemen Plüschsitze des Parketts jetzt frei waren? Wer sind sie, Kritiker, die dem verlassenen Flügel, der leeren Bank huldigen? Wer bin ich? Wir gehören emem geheimen Orden an. Das Theater scheint dunkler zu werden. Es ist offensichtlich, daß wir nicht da sein sollten. Der Maestro kam zurück. Der Maestro kam zurück, fast schien es, als stehle er sich zurück. Wir gehören nun zusammen. Dort im Dämmerlicht spielte er fast eine Stunde für uns. Mein Kopf ruhte auf meinen Armen. Ich weinte nicht leicht. Aber jetzt weinte ich. Er spielte Liszts Vertonung des Erlkönig.
Erlkönig, er war selbst dieser Geist. O Vater, mein Vater.