H. D. (Hilda Doolittle): Das Ende der Qual – 18. März

 

Ezra machte mich mit William Morris erst richtig bekannt. Er brüllte The Gillyflower of Gold1 buchstäblich dem Obstgarten zu. Wie ging es? Hah! hah! la belle jaune giroflée. Und da war noch Two Red Roses across the Moon2 und The Defense of Guenevere.3
In dieser Zeit brachte er mir Séraphîta und einen Band von Swedenborg – Heaven and Hell?4 Oder ist das Blake? Er brachte mir stapelweise Bücher von Ibsen und Bernard Shaw. Er brachte mir Whistlers Ten O’Clock.5 Nach dem Muster von Whistlers Schmetterling kritzelte er zu jener Zeit eine Fliege als eine Art Signatur in seine Bücher. Er war eine Mischung aus James McNeill Whistler, Peer Gynt und den siegreichen und geschlagenen Helden der Gedichte und Erzählungen von William Morris. Er las mir mit leidenschaftlicher Erregung The Haystack in the Floods6 vor.
Er brachte mir den Nachdruck der Isolde- und Tristan-Geschichte7 von Thomas Mosher, Portland, Maine. Er nannte mich Is-hilda und schrieb jeden Tag ein Sonett; er heftete sie in eine Mappe aus Pergament. Da war auch eine Reihe von Yogi-Büchern.
Die Fliegen-Hieroglyphe war durch ein Buch mit diesem Titel angeregt worden. Ich weiß nicht, wer The Gadfly8 geschrieben hat. Es war ein Roman über italienische Patrioten oder Partisanen, wie wir sie jetzt nennen, oder irgendein Risorgimento-Ereignis. Das Wort zany, Hanswurst, kam auf. Ich hatte es nie zuvor gehört. Der Held gerät unter fahrende Schauspieler – oder war es ein Jahrmarkt oder Zirkus? Ich kann mich nicht erinnern. Verkleidung? Flucht? Er ist ein bitterer, tragischer Held, dieser Gadfly. Nimmt die Geschichte die letzten Episoden und die Pisaner Legende vorweg?
Joan kam gerade wegen der Briefe; zu meiner Überraschung erinnert sie sich an The Gadfly – »Meine Mutter hatte es lange vor meiner Zeit.« In meiner Reader’s Encyclopedia fand sie die Autorin: Ethel Voynich. Sie erinnert sich nicht an einen Zirkus oder Jahrmarkt, aber sie hat denselben Eindruck wie ich von einer düsteren, verwickelten, politischen Tragödie.
Eva Hesses Nachwort in der deutsch-englischen Ausgabe Ezra Pound, Dichtung und Prosa entnehme ich, daß der Schauplatz von »diesem Mädchen, das er gefunden hat«, von dem Erich sprach, das Wabash College in Indiana war. »Waren Sie eifersüchtig auf dieses Mädchen, das er gefunden hatte und das in seinem Bett schlief?« Ezra war nur vier Monate dort. Aber ich muß sehr viele Briefe an das Wabash College, Crawfordsville, Indiana, geschrieben haben. Ich habe es mit dem Hamilton College in Clinton, New York, verwechselt, wo er zwei Jahre Student war. Ist das wichtig?
Es hilft vielleicht, die Wolke von Erinnerungen zu klären. Der emotionale Gehalt ist von Bedeutung. Ich schrieb: »Die Vollkommenheit des leidenschaftlichen Augenblicks kann nicht andauern – oder doch?« Erich sagt von sich, er sei der Spiegel, das Brennglas, das »alles Licht einfängt«. Ja, er rückt die Situation ins rechte Licht, aber ich kann ihm nicht erklären, wie schwer es mir manchmal fällt, die Erinnerung an den »leidenschaftlichen Augenblick« zu bewahren.
Vielleicht fängt ihn Erich im Spiegel – aber er muß ihn nur reflektieren. Ich muß ihn Gestalt werden lassen.