Poesie als individueller Moment

Poesie als individueller Moment

Wie oft mögen wir uns begegnet sein? Ich habe nicht Buch geführt. Auffallend oft und wo nicht? Gleichbleibende, immerwährende Freundlichkeit fällt mir dazu als wiederkehrender Eindruck ein; wohl vor allem deshalb, weil mir dies abgeht. 
In seine Gedichte habe ich mich langsam eingelesen, aber nicht davon abgelassen. Bei einem der Gespräche über verschollene Lyriker der Nachkriegszeit, während der ich mit Vorliebe auf Helmuth de Haas zu sprechen komme, zitierte ich »Wie rasch es Winter ist / unter den Worten«, was ihn sichtlich erstaunte. Weiß ich, warum gerade dies Gedicht haften blieb oder »In Burgund«, in dem es heißt: »Das Unverhoffte wird geschehen, / sagen die Hügel«? – Ich weiß nicht. Ganz sicher haben sich mir damals, als ich anfing und auf der Suche war, Gedichte leichter eingeprägt, stärker eingeprägt, weil sie Mangel und Lesehunger abhalfen. Aber ohne Widerhaken hätte sich nichts festgehakt.

Wulf Kirsten, aus Walter Helmut Fritz: Ausgewählte Gedichte und Prosa, Wallstein Verlag, 2004