Hermlin, der

Hermlin, der

Singschwan, von Anrainern auch „Posaune des Ostens“ getauft. Ursprünglich in den Tundren Westsibiriens und der russischen Taiga beheimatet, ist der Singschwan in Deutschland noch immer extrem selten. Im Gegensatz zum ordinären Höckerschwan haben die hochschwebenden Segler einen zierlichen gelben Schnabel und stoßen an Posaunenklang gemahnende fremdartige Töne aus, mit denen sie Streitigkeiten untereinander austragen oder auch trompetend ihren Gegnern angst machen; Gegner sind andere Schwäne, die aggressiv bekämpft werden. Der Singschwan lobt sich gerne selber, in höchsten Tönen nach der Kopulation; in gottesfürchtigen oder anders diktatorischen Zeiten, etwa im Spreewald oder in Sachsen, wurde sein Gesang als im „Abendlicht“ erklingendes Kirchengeläut untergegangener Orte gedeutet. In spätbürgerlichen Chroniken wird der Cygnus cygnus auch schlicht Gelbschnabelschwan genannt und die Variationsbreite seiner melodischen, nasalen Klänge hervorgehoben. Neuere Forschung indes hat ergeben, daß der bis zu 2 Meter Flügelspannweite große, auch als eitel geltende Vogel ein sehr feines Gehör hat. So kann er den Rhythmus von Fröschen im Paarungsgesang erkennen und blitzschnell verharrende Froschweibchen aufschnappen, die von einem bestimmten hochfrequenten Grunzton des rufenden Männchens wie hypnotisiert sind. Der Gelbschnabelschwan ist ein fremdes Getier verachtender Genießer. 

Fritz J. Raddatz, aus Bestiarium der deutschen Literatur, Rowohlt Verlag, 2012

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