Der Mickel

Der Mickel

Der Mickel ist ein Cervus. Er hat im Kolloquium der Vögel, alten Hasen und sonstigen Tiere der von G. Wolf u.a. so bezeichneten »mittleren Generation« im Schatten der Position des ›Populären‹, die dort traditionsgemäß ›frei‹ ist, seinen Platz. Er trägt anstelle eines Geweihes ein brechtig geriefeltes Eissprossenpaar, das sich zum Absurden hin verdichtet und verjüngt. Sein Röhren provoziert die Erinnerung an ein irgendwie homerisches Gelächter. Der Mickel röhrt indes nicht einfach frei im Wald herum, sondern kunstvoll durch einen auf antik getrimmten Trichter, der auch das Medium ist, durch welches er mit dem Waldgeist (Weltgeist) kommuniziert. Die Bewegungen des Mickel hinterlassen trotz ihrer hochtrabenden Eckigkeit meistens den Eindruck einer abgerundeten Sache, was in eingeweihten Kreisen für das Zeichen einer lichtungsweisenden Waldanschauung gilt. Wenn es aber im Dickicht dämmert und die Weisheit des Mondes bis über die Löffel der lyrischen Kaninchen hinausreicht und das Schweigen im Walde plötzlich hexameterweit gebrochen wird, dann sagen sich die verschlafenen Käuze: Das ist wohl der Mickel. Er hat wahrscheinlich wieder einem mythischen Wesen aufgekalauert und jambt nun mit der Beute durch die Waldgeschichte.

Andreas Koziol aus Bestiarium Literaricum, Druckhaus Galrev, 1991

Nachrufe

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Konrad Franke: Der souveräne Weltanschauer
Süddeutsche Zeitung, 23.6.2000

Ijoma Mangold: Forderung nach Leichtigkeit und Höhe
Badische Zeitung, 24.6.2000

Gedenktage

Zum 10. Todestag von Karl Mickel:

Thomas J. Richter & Heike Friauf: Eine Frage – Zum 10. Todestag des großen deutschen Dichters Karl Mickel
Die Linke, Juni 2010

Zum 80. Geburtstag von Karl Mickel:

Stefan Amzoll: Was ist das, ein Mensch?
neues deutschland, 12.8.2015