Mainzer Buchhändler und Dichter Jürgen Kross gestorben

Mainzer Buchhändler und Dichter Jürgen Kross gestorben

– Fast fünfzig Jahre führte Jürgen Kross die Claudius-Buchhandlung in der Vorderen Präsenzgasse. Er hinterlässt ein sprachmächtiges lyrisches Werk. –

Wenn man in sein gedrucktes Reich in der Vorderen Präsenzgasse eintrat, war das lärmende Oberflächenrauschen der digitalen Zeiten wie weggewischt. Für den freundlich lächelnden älteren Herrn, der mit Hingabe jedem Kunden das passende Lesestück schmackhaft machte, waren die Bücher Lebenselixier und Bastion des Geistes in einer verflachenden Welt. In seinen Gedichten durchdringt er mit einer einzigartig verdichteten Sprache den Kern der immer vom Tod überschatteten Existenz in den Wechselwirkungen von Mensch und Natur.

Am Dienstag ist der Autor und Buchhändler Jürgen Kross, seit 48 Jahren Inhaber der Claudius-Buchhandlung, im Alter von 81 Jahren nach langer schwerer Krankheit in Mainz verstorben. Sein Werk umfasst mehr als 30 Gedichtzyklen, deren hoher literarischer Rang viel zu selten gewürdigt wurde, Theaterstücke und Kurzprosa. Seine Gedichte zeichnen sich durch ein außergewöhnliches Gespür für Sprache aus, die sowohl innere wie äußere Landschaften evoziert und große Fragen stellt in den Zwischenräumen des Lebens zwischen Geburt und Tod.

Jürgen Kross wurde 1937 in Hirschberg (Schlesien) geboren. Seine Kindheit war überschattet von Krieg, Vertreibung und Flucht. Was überdauerte, war der Eindruck der wirkgewaltigen, geliebten Kindheitslandschaft, dem Riesengebirge. Beide Aspekte dieser Kindheit haben für Kross’ Lyrik fundamentale Bedeutung: So sind seine nicht selten lastend anmutenden Texte durchsetzt von Lichtblitzen aller Spielarten von Landschaft, eine Verheißung von Glanz in allem Dunkel.

Über viele Umwege verschlug es ihn mit seiner Familie 1954 nach Mainz, wo er, nach einer Zeit des Rückzugs und der Lektüre, die durch eine ernsthafte Erkrankung in der Jugend verursacht war, eine Ausbildung zum Fernsehredakteur beim ZDF durchlief. 1970, mit 33 Jahren, übernahm er die Claudius-Buchhandlung, wo er bis zuletzt als Buchhändler und Autor tätig war. Es war ein Leben für die Literatur, inmitten von Literatur und ständig im Gespräch über Literatur.

Als Inhaber einer der traditionsreichsten Buchhandlungen der Stadt mit über hundertjähriger Geschichte sei Jürgen Kross nicht nur Händler von Büchern gewesen, sondern habe sich stets als Streiter im Sinne der Literatur und als Mittler zwischen Buch und Leser verstanden, erzählt seine langjährige Mitarbeiterin Barbara Junglas, die die Buchhandlung im Geiste von Jürgen Kross weiterführt. »Seine Stimme hat sich Gehör verschafft, eigenwillig, klug und sprachgewaltig in vielerlei Hinsicht. Sie wird fehlen«, sagt sie. Den in den vergangenen Monaten entstandenen Gedichtband blattwerk habe er noch auf dem Totenbett vollendet. Sein letztes lyrisches Werk wird nun für die Nachwelt zur Veröffentlichung vorbereitet.

Michael Jacobs, Allgemeine Zeitung, 26.1.2019

Lebenslauf

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Gedenktag

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Michael Jacobs: Zwischen Büchern und Worten
Allgemeine Zeitung, 26.8.2017