Ein Poet und Muslim

Ein Poet und Muslim

– Hadayatullah Hübsch ist tot. Vier Tage vor seinem 65. Geburtstag ist er in seinem Haus in Zeilsheim gestorben. Sein Tod sei unerwartet gekommen, teilte seine Familie mit. Zwar habe er vor einiger Zeit einen Herzinfarkt erlitten, doch sei sein gesundheitlicher Zustand stabil gewesen. Hübsch hatte sich am Dienstagvormittag zum Schlafen gelegt und war nicht mehr aufgewacht. –

Hübsch war ein Mensch, der schwer einzuordnen war. Nicht weil er ein Geheimnis um sich machte – bereits 1991 und 1998 veröffentlichte er seine Lebenserinnerungen – sondern weil er vielseitig war und vermeintlich Widersprüchliches in sich vereinte.

Er schrieb schon als Jugendlicher Gedichte und widmete sich in den letzten Jahren der Collage-Kunst. Er stellte seine Arbeiten aus und trat auf Poetry-Veranstaltungen auf; er mochte Rock- und Popmusik wie auch Koranrezitationen. Er veröffentlichte Gedichte ebenso wie Bücher über den Islam, schrieb Musikkritiken und verdiente sein Geld auch mit anderen journalistischen Arbeiten. Zuletzt beschäftigte sich Hübsch mit der Herausgabe eines Buches über Witze im Islam.

Die einen schätzten Hübsch als Literaten (acht Jahre lang war er Vorsitzender des Verband deutscher Schriftsteller in Hessen); er galt als ein Autor, der sich abseits des Mainstreams bewegte. »Hadayatullah war der vielleicht authentischste deutsche Beat-Poet, ein Mensch mit einer schier unglaublichen Produktivität. Seine Live-Performances waren von einer extremen Intensität. Er war ein Spoken Word Poet, bevor dieser Begriff im Rahmen der Poetry Slam Bewegung populär wurde«, so beschreibt ihn Poetry-Slam-Veranstalter Dirk Hülstrunk.

Andere wiederum kannten Hübsch als rechtschaffenen Moslem und schätzen ihn als Prediger, der freitags in der Nuur-Moschee in Frankfurt-Sachsenhausen zur Gemeinde sprach. Zum Islam konvertierte der am 8. Januar 1946 in Chemnitz geborene und auf den Namen Paul Gerhardt getaufte Hübsch 1969. Er wurde Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde und wechselte den Vornamen.

Hübsch, der in Oberhessen ein evangelisch-christliches Internat besuchte, legte sich schon als Schüler mit Autoritäten an. Sein aufsässiges Verhalten behielt er auch im Erwachsenenalter bei, war in der Außerparlamentarischen Opposition (APO) aktiv und Mitglied der Kommune 1.

In den 60er Jahren soll ihm Günter Grass eine »große Karriere« prophezeit haben. Doch aus dem »Luchterhand-Literaten und Beatnikrebellen wurde ein militanter Dropout, ein radikaler Hippie und dichtender Pillenwerfer«, so beschrieb ein TAZ-Autor Hübschs Entwicklung in den 1960er Jahren. Auf einer Lesung, so ist auf der Internetseite der Ahmadiyya-Seite über Hübsch zu lesen, »lernte er einen Dichter aus Holland kennen, der ihn mit Haschisch und anderen Drogen bekannt machte«.

Über seine Erfahrungen mit Drogen schrieb Hübsch ausführlich und beschrieb sie als eine »schreckliche Zeit«. Die Gemeinschaft der Ahmadiyya scheint dem Sinnsuchenden einen Halt gegeben zu haben. Mehr als 20 Jahre war Hübsch Prediger der Nuur-Moschee und auch eine Zeit lang der Sprecher der Ahmaddiyya-Gemeinde Deutschland. »Aufgrund seiner Rechtschaffenheit, seiner Persönlichkeit, seiner Verdienste für den Islam« sei er eine der tragenden Säulen der Gemeinde gewesen, erklärt die Ahmaddiyya-Gemeinde.

Hübsch hinterlässt seine aus Indien stammende Frau, acht Kinder im Erwachsenenalter und zehn Enkelkinder. Am Samstag, dem 8. Januar, wird er um 10 Uhr auf dem Südfriedhof bestattet.

Canan Topçu, Frankfurter Rundschau, 3.2.2019