Uferartmann,

Uferartmann,

der (Vampirzahn, Musenbusserl, das österreichische Wunder, Gartenschmäh etc.; Hans Georg Kernbeißer stellte in seiner Dissertation Name als Eigenschaft, Wien 1975, eine Liste auf, die allein 34 deutsche Namen für den Uferartmann enthält, 47 sind es im Chinesischen und 11 im Suaheli) ausdauernd, beharrlich. Familie der Kapriolen. Zauberkraut.

Ganze Pflanze bleichgelb. Blütentraube zuerst nickend, zur Fruchtzeit mit einnehmender Gebärde. Blüten kupfergeldgelb und glockig. Stengel pergamentfarben bis zigeunerbraun, selten rötlich, meistens als Mimikry. Blätter schuppenförmig, quellen bei Nässe zur offenen Handform auf. Wurzeln wenig tief, aber netzartig verflochten, überall Halt suchend.

Den Uferartmann finden wir am Rande ausufernder Talentproben, auf dem Blocksberg für Laien, in der Schwarzerde verwesender Scherze und in volkstümlichen Untiefen. (Wasseranzeiger!) Meist sehr häufig und unumgänglich. Auf dem Kopf stehend hat der Pflanzenfreund den besten Blick dafür, wie stinknormal es bei dieser Pflanze zugeht. Wird sie bei Hochwasser von der Uferböschung fortgerissen, kann sie, wo immer sie angeschwemmt wird, sofort wieder Wurzel fassen. Sie ist heute in der ganzen Welt verbreitet und wuchert im Tropischen wie in Wladiwostock. Seltsamerweise wird sie von Heuschrecken verschmäht. Ziegen verhilft sie dagegen zu einer fetten Milch.
In der Volksarznei ist der Saft des Uferartmanns ein beliebtes Mittel, um Warzen und mißliebige Zeitgenossen zu vertreiben. Den Hexen war die Pflanze ein willkommenes Kraut: sie verwandten es zu ihren Salben, mit denen sie sich einrieben, ehe sie durch die Luft flogen. Dies wird jedoch von dem anerkannten Experten für Hexenflüge, Hans Peter Duerr, in seinem (vorerst nur als Privatdruck erschienenen) Buch ›Die Wahrheit über die Hexensalbe‹ bezweifelt. In Kärnten und Siebenbürgen herrscht die Vorstellung, daß der übermäßige Genuß des Uferartmanns, der dort als Spinat gegessen wird, zum Vampirismus führe. Tatsächlich enthält das Kraut einige halluzinationsfördernde Stoffe, die mystisch Veranlagten gefährlich werden können. Sie sehen dann hinter allen Dingen eine Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Die österreichische Küche hat sich der Pflanze besonders angenommen, was auf die dortige Literatur einen nicht geringen Einfluß hatte. Ein jeder glaubt dort, Fußgänger der Luft zu sein. Nach der Sachertorte und der Musik Mozarts ist der Spinat aus Uferartmannblättern die bedeutendste Kulturtat, die Österreich Deutschland (und der übrigen Welt) schenkte. Das weiß man in Berlin, Frankfurt, München und in Zell am See.

Fritz Schönborn aus Deutsche Dichterflora, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983

Lebenslauf

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Gedenktage

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Zu H.C. Artmanns Geburtstag
manuskripte, Heft 114, 1991

Zum 10. Geburtstag des Autors:

Thomas Rothschilder: Der H. C.
Titel, 4.12.2010

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Michael Horowitz: H.C. Artmann: Bürgerschreck aus Breitensee
Kurier, 31.5.2021

Christian Thanhäuser: Mein Freund H.C. Artmann
OÖNachrichten, 2.6.2021

Christian Schacherreiter: Der Grenzüberschreiter
OÖNachrichten, 12.6.2021

Wolfgang Paterno: Lyriker H. C. Artmann: Nua ka Schmoez
Profil, 5.6.2021

Hedwig Kainberger / Sepp Dreissinger: „H.C. Artmann ist unterschätzt“
Salzburger Nachrichten, 6.6.2021

Peter Pisa: H.C. Artmann, 100: „kauf dir ein tintenfass“
Kurier, 6.6.2021

Michael Stavarič: „Immer verneige ich mich, Herr Artmann“
Die Furche, 9.6.2021

Edwin Baumgartner: Die Reisen des H.C. Artmann
Wiener Zeitung, 9.6.2021

Edwin Baumgartner: H.C. Artmann: Tänzer auf allen Maskenfesten
Wiener Zeitung, 12.6.2021

Cathrin Kahlweit: Ein Hauch von Party
Süddeutsche Zeitung, 10.6.2021

Elmar Locher: H.C. Artmann. Dichter (1921–2000)
Tageszeitung, 12.6.2021

Bernd Melichar: H.C. Artmann: Ein Herr mit Grandezza, ein Sprachspieler, ein Abenteurer
Kleine Zeitung, 12.6.2021

Peter Rosei: H.C. Artmann: Ich pfeife auf eure Regeln
Die Presse, 12.6.2021

Fabio Staubli: H.C. Artmann wäre heute 100 Jahre alt geworden
Nau, 12.6.2021

Ulf Heise: Hans Carl Artmann: Proteus der Weltliteratur
Freie Presse, 12.6.2021

Thomas Schmid: Zuhause keine drei Bücher, trotzdem Dichter geworden
Die Welt, 12.6.2021

Joachim Leitner: Zum 100. Geburtstag von H. C. Artmann: „nua ka schmoezz ned“
Tiroler Tageszeitung, 11.6.2021

Linda Stift: Pst, der H.C. war da!
Die Presse, 11.6.2021

Florian Baranyi: H.C. Artmanns Lyrik für die Stiefel
ORF, 12.6.2021

Ronald Pohl: Dichter H. C. Artmann: Sprachgenie, Druide und Ethiker
Der Standart, 12.6.2021

Maximilian Mengeringhaus: „a gesagt, b gemacht, c gedacht, d geworden“
Der Tagesspiegel, 14.6.2021

„Recht herzliche Grüße vom Ende der Welt“

wienbibliothek im rathaus, 10.6.2021–10.12.2021