Knollenfried,

Knollenfried,

der (Grünes, zuweilen auch rotes Gewissen, Weckruf, Fünfminutennachzwölf, gemeines Fettnäpfchen) ausdauernd. Familie der Protestazeen. Säureanzeiger.

Die zartroten Blüten, daumengroß, wachsen einzeln in den Blattachsen. Die Beeren ähneln Knallerbsen, ohne deren Wirkung zu besitzen. Stengel reichästig, Blätter in der Form von Schuldscheinen auf Bütten. An den Wurzeln, die eher in die Breite als in die Tiefe gehen, bilden sich Knollen, die kartoffelgroß werden können. Sie haben einen beißend scharfen Geschmack, der bei langer Lagerung verschwindet. Die Knollen sind dann unverdaulich.

Die vielgenannte Pflanze bevorzugt Krisenherde, Anhäufungen von Dummheit und Borniertheit, massenhaft wächst sie im schlechten Gewissen, das sie geradezu aufbläht. Im angesäuerten Boden werden die Blüten tiefrot, im gewöhnlichen Seelenmüll violett. Die Bestäubung findet durch verwirrte Botaniker statt, die den Knollenfried für den Schulunterricht sammeln. In Bayern zählt die Pflanze zu den Schädlingen. Für jedes ausgerupfte Exemplar erhält man die Antiaufklärungsschrift ›Was ist des Bayern Heimatland?‹ von Franz Josef Strauß. (Die zweite Auflage hat den Titel ›Gebote der Freiheit‹.) In den Universitäten steht die Pflanze unter Naturschutz. Dort kommt es jedoch nicht selten vor, daß der Knollenfried unter zu starker Pflege verkümmert und zum Budenzauber herunterkommt.
Der Tee aus den getrockneten Blüten gilt als vorzügliches Mittel gegen chauvinistische Verhaltungen und faschistoide Infektionen. Er soll jedoch nur schlückchenweise getrunken werden, um reaktionäres Aufstoßen zu verhindern. Mitunter treten unerfreuliche Nebenwirkungen auf wie Röteln und das Grüne Fieber. »Mir scheint«, schreibt Hans Habe in seinem Buch ›Blickpunkte aus Ascona‹, »daß der Knollenfried gleichsam das Kind mit dem Bade ausschüttet. Er purgiert bis zur anarchistischen Auflösung.« Klaus Wagenbach dagegen ist des Lobes voll. »Mir sind die Knollenfriedkuren sehr gut bekommen. Ich würde sie sogar Kleinkindern empfehlen.«
Auch im Volksaberglauben spielt die Pflanze eine bedeutende Rolle. So sollen die Knollen, die man in Österreich »Teufelsdreck« nennt, in Wein gesotten, die Zunge zum Erlernen fremder Sprachen geschmeidig machen. Auch Tenöre versuchen damit ihr Glück. Als Futterpflanze ist der Knollenfried wenig geschätzt. Kulturziegen meiden ihn oder verderben sich an ihm den Magen.

Fritz Schönborn aus Deutsche Dichterflora, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1983

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Nachrufe
Gedenktage

Zum 72. Geburtstag des Autors:

Klaus Wagenbach und Erich Schwarz Lesung zum 72. Geburtstag von Erich Fried am 6.5.1993 in der Werkstatt der Staatlichen Schauspielbühne Berlin.

Zum 15. Todestag des Autors:

Detlef Berentzen: Ein gebrauchter Dichter. Eine Textcollage zum 15. Todestag von Erich Fried

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Erich Fried Tage – Internationales Literaturfestival

Erich Fried – Wir sind ein Tun aus Ton
3sat.de, 2.5.2021

Rolf Becker für Erich Fried zum 100.
YouTube, 6.5.2021

Alexander Knief: Grass-Stiftung zeigt digitale Schau zu Erich Fried
Weser Kurier, 3.5.2021

Stefan Siegert: Schau’s dir an!
junge Welt, 14.4.2021

Joachim Leitner: Dem Zweifel zweifelnd trotzen
Tiroler Tageszeitung, 4.5.2021

Jürg Halter: Als Politdichter, Liebesdichter oder Erinnerungsdichter: Sagen, was ist – mit Erich Fried
Tagblatt, 5.5.2021

Björn Hayer: Erich Fried zum 100. Geburtstag: Liebe, und immer wieder Liebe
Frankfurter Rundschau, 5.5.2021

Moritz Gathmann: „Lieber Michael Kühnen…“
Cicero, 6.5.2021

Beatrix Novy: Verzweifelter Humanist zwischen zwei Sprachen
Deutschlandfunk, 6.5.2021

Jan Süselbeck: Der unversöhnliche Philanthrop
taz, 6.5.2021

Klaus Bellin: Verse gegen Lüge, Unrecht und Gewalt
neues deutschland, 5.5.2021

Jens Dirksen: Erich Fried schuf Poesie aus radikaler Opposition heraus
WAZ, 5.5.2021

Bernadette Conrad: Kunst zur Veränderung der Welt
Berliner Zeitung, 6.5.2021

Thomas Wagner: Der Stören-Fried
Die Welt, 6.5.2021

Hubert Spiegel: Der Überlebenshilfekünstler
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.5.2021

Caroline Fetscher: „Man muß mit jedem reden“
Der Tagesspiegel, 6.5.2021

Terry Albrecht spricht mit AutorInnen zum 100. Geburtstag des Dichters Erich Fried

„Was es ist“: Lyrik für alle – zum 100. Geburtstag von Erich Fried

Der lebendigste aller toten Dichter, der noch immer ist, was er ist. Eine Gratulation von Theo Schneider

Der Dichter, sein Leben und seine politischen Gedichte. Teil 1/2

Der Übersetzer und der Dichter der Liebesgedichte. Teil 2/2