Bob Kaufman – eine Reminiszenz
1982, ich war gerade von meiner ersten Parisreise nach San Francisco zurückgekehrt, lief ich eines Morgens über den Washington Square.
Bob Kaufmann sah mich vom Park aus und kam herangehinkt.
»Wie war Paris?« fragte er. »Komm, wir trinken einen.«
Ich war auf dem Weg zur Arbeit und mußte nüchtern bleiben, aber ich kaufte ihm einen Drink, und wir unterhielten uns ein Weilchen. Gott, wie hat er Paris geliebt! Schließlich mußte ich gehen.
Bob rief mir nach: »Liest du heute abend?«
Es war Donnerstag, und es gab noch die Lesungen in der Spaghetti-Factory.
»Ja«, sagte ich und war sehr froh, daß er mich gefragt hatte.
»Und du?«
Er nickte.
Ich rief ihm über die Schulter zu: »Ich lese The Alley.« Es war das, was ihm von meinen Sachen am besten gefiel. Zum erstenmal hatte ich es ihm ein paar Jahre zuvor in der Coffee Gallery gezeigt, als sie noch die Coffee Gallery war. Wir tranken eine Unmenge Whisky an jenem Abend, nuschelten einen Haufen Gedichte vor uns hin, summten Bluessongs und gingen jedem Wort auf den Grund. Mehrere Jahre lang trafen wir uns ein-, zweimal die Woche in Curly’s Coffee Shop zum Frühstück. Manchmal sagte Bob kein Wort. Einmal sangen wir zusammen »Moody’s Mood For Love« – ich im Anzug mit Weste, gerade im Begriff, mein Tagwerk zu beginnen, und Bob auf dem Nachhauseweg nach einer durchfeierten Nacht.
Ein andermal, bei einem Straßenfest auf der Grant Avenue, spazierte ich mit Nicole die Straße hinunter, als Bob mich erspähte. Er stand in der Tür der Hawai-Bar. Er lächelte, seine Blicke tanzten hoch zu bunten Bändern und Luftballons, die über den Auslagen der Künstler und Kunsthandwerker hingen, dann sah er wieder auf uns und sagte:
Es ist genau wie in Paris, es ist genau wie in Paris.
Das letzte große Fest, das ich mit Bob zusammen erlebte, war die Party zu seinem neunundfünfzigsten Geburtstag. Bob und Lynn wohnten in einem großen alten Haus draußen in der Vorstadt. Es war eine herrliche Feier: Livemusik, afrikanisches Essen, die Party dehnte sich aus auf den kleinen Garten vor der Küchentür, Kinder rannten durchs Haus, überall der süße Duft von gutem kalifornischen Marihuana, und Tanz, Tanz, Tanz. Bob saß in einem großen Korbsessel, ein halbes Lächeln auf dem Gesicht, ein Lächeln, das ganz ihm eigen war, ein Lächeln, das innere Heiterkeit ausdrückte.
Immerfort kamen neue Leute, begrüßten Bob mit Geschenken und Glückwünschen. Manchmal verließ Bob, angeregt durch die Musik, seinen Sessel und tanzte – solo zuerst! aber bald schon in der zärtlichen Umarmung derer, die ihn liebten.
Später lasen einige von uns Gedichte für Bob – Gedichte, die eigens für diesen Tag geschrieben worden waren oder Gedichte, die er besonders liebte.
Ein paar Monate später verließ ich San Francisco und ging nach Paris, wo ich seither lebe. Im Januar 1986 erfuhr ich auf eine schreckliche Weise (Gott strafe dich, Ted Joans!), daß Bob gestorben war. Ich beschloß, meine bevorstehende Lyriklesung in der Librairie Pensée Sauvage zu einer Gedenkfeier zu Ehren von Leben und Werk Bob Kaufmans zu machen.
Am Mittwoch, den 5. Februar 1986 versammelten wir uns in der Pensee Sauvage. Aus der zweisprachigen Ausgabe Solitudes las ich seine Gedichte in Englisch, und Nicole las sie in Französisch. Wir trugen einige kurze Sachen und das »Abomunist Manifesto« (»Abscheuliches Manifest« – d. Ü.) Zeile für Zeile, Englisch-Französisch-Englisch-Französisch vor. Es machte Freude, und es war ermutigend. So viele neue Leute hörten Bobs Arbeiten zum erstenmal und wurden von ihm angerührt. Ein Afrikaner aus dem Kongo, der ein Nachtprogramm im Pariser Rundfunk macht, war besonders interessiert und wollte, daß wir mit ihm zusammenarbeiten, um Bobs Gedichte einem größeren Publikum vorzustellen. Ein amerikanischer Physiker war ganz aus dem Häuschen über Bobs Respektlosigkeit. Mindestens ein Jungakademiker verliebte sich. Die Franzosen waren entzückt.
Danach gingen wir alle los und betranken uns.
Es schien uns passend.
John Kliphan
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christa Schuenke