Der A.endler
Der A.endler ist ein Kolkrabe mit sehr viel Weiß an den Spitzen seiner Schwungfedern. Seinem spöttischen und packenden Gekrächze, unter dem er die verdorbensten Stücke der DDR-Poesie durch den Kakao zieht, sowie seiner enormen Geschicktheit, ihren unverdaulichsten Brocken bzw. schmalztriefendsten Scheiben eine irrsinnige Umdrehungszahl zu verleihen, verdankt er den Ruf eines »Rasenden Rekorders«. Da ihn sein Nahrungs- und Neuigkeitstrieb immer wieder in einen furchtbaren Widerspruch zur hohen Empfindlichkeit seines Magens setzt, passiert es, daß er schon in ein schrilles Gelächter explodiert, wenn er nur ein Körnchen Falschheit in einer Meldung oder sonstigen Merkwürdigkeit auf die Zunge bekommt. Er besitzt die unerklärliche Fähigkeit, solche Körnchen in kürzester Frist auf Elefantengröße anschwellen zu lassen und sie – bevor sie jedem Begriff entschweben – mit einem Hieb zum Platzen zu bringen. Die betäubende Heilsamkeit dieses Verfahrens auf Zwerchfell, Herz und Galle läßt sich leider nur unter schmerzlichen Verlusten an Glaubwürdigkeit reproduzieren, weil der A.endler eines der letzten wirklich echten Originale ist.
Andreas Koziol aus Bestiarium Literaricum, Druckhaus Galrev, 1991
